Aus der Chronik des Ortsvereins Seligenstadt
 
     
  HÖHEN UND TIEFEN DER PARTEI IN DER WEIMARER REPUBLIK   1918-1933

Die Wahlen zur Verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung fanden am 19. Januar 1919 statt. Die SPD erreichte 11 509 048 Stimmen = 37,9 0/o, die USPD 2 317 920 Stimmen = 7,6 %. Von den 421 Abgeordneten, darunter 37 Frauen, entfielen auf die SPD 163, auf die USPD 22 Mandate. Den Sozialdemokraten war es damit nicht gelungen, die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung zu erringen. Die Wahlbeteiligung betrug 82,7%. Das Ergebnis für Seligenstadt setzte sich
wie folgt zusammen:

Zentrum 1 259 Stimmen
SPD 1 056 Stimmen
Demokraten 188 Stimmen
Nationalliberale 32 Stimmen
Volkspartei 28 Stimmen
USPD 26 Stimmen
Ungültig 10 Stimmen


Die USPD hatte also kaum Anhänger zu verzeichnen, während die Sozialdemokraten dem Zentrum anteilmäßig sehr bedrohlich nahe kamen.

Eine Woche nach der Wahl zur Nationalversammlung wurde am 26. Januar 1919 die Hessische Volkskammer

gewählt. Aus diesem Grund fand am 25. Januar im „Schützenhof" eine große öffentliche Wählerveranstaltung statt, auf der Rechtsanwalt Dr. Katz aus Offenbach über das Thema sprach: „Die Sozialdemokratie und die Zukunft unseres Hessenlandes."

Die Wahl in Seligenstadt zeigte nachstehendes Ergebnis:

Zentrum 1 300 Stimmen
SPD 964 Stimmen
Demokraten 159 Stimmen
Volkspartei 23 Stimmen
USPD 22 Stimmen
Hess. Volkspartei 5 Stimmen


Nach zwei Parteiversammlungen am 8. März und 5. April legte der Sozialdemokratische Wahlverein in Verbindung mit dem Gewerkschaftskartell am 30. April sein Programm für die kommende Maifeier vor. Die Gestaltung gaben die jeweiligen Vorsitzenden, Eduard Blei für die SPD und Georg Hüter für die Gewerkschaft, bekannt:

„Durch Beschluß der gesetzgebenden Körperschaften ist der 1. Mai allgemeiner Feiertag. An dem Tage soll eine Heerschau des klassenbewußten Proletariats sein. Es ist Ehrenpflicht eines jeden Arbeiters und Arbeiterin am 1. Mai sich in den Reihen seiner Klassen- und Gesinnungsgenossen einzufinden".

PROGRAMM

ZUM GEDÄCHTNIS UNSERER TOTEN

10.30 Uhr:
Zusammenkunft sämtlicher Korporationen im „Schützenhof"


11 Uhr:
Gemeinschaftlicher Gang mit Musik zum Friedhof, dort am Kriegerdenkmal die Ehrung der Gefallenen. Nach der Feier: Rückmarsch zum neuen „Schwanen".


ABENDFEIER


6.45 Uhr:
Zusammenkunft zum Umzug durch die Stadt im „Schützenhof". Anschließend dort im Saal: Festrede, Musik- und Gesangsvorträge. Die hiesige Stadtkapelle hat den gesamten musikalischen Teil übernommen. Zur Bestreitung der Unkosten wird am Abend ein Eintritt von 0,70 Pfennig erhoben.
So wie es diese Programm-Ankündigung versprach, verlief dann auch das Fest. Leider hatten sich die Reihen der Sozialdemokraten auch in Seligenstadt durch die Kriegsopfer stark gelichtet.

Eine wichtige Versammlung, gemeinsam veranstaltet von der SPD und der Demokratischen Partei, wurde am 4. Mai im „Schützenhof" abgehalten. Auf der Tagesordnung stand die Berichterstattung der Gemeindevertreter über ihre bisherige Tätigkeit während dieser Amtsperiode. Ferner besprach man Möglichkeiten, wie die ständigen Angriffe des Zentrums gegen die Gemeindeverwaltung, besonders gegen die Lebensmittel-Kommission, abgewehrt werden können.

Auch eine Gemeinderatswahl stand wieder an. Sie war auf den 15. Juni festgelegt worden. SPD und Demokraten gingen gemeinsam in den Wahlkampf, hatten aber keine Chance gegen das Zentrum. Von 2 739 Wahlberechtigten machten 1 826 von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Die Wahlbeteiligung war also ziemlich gering. Es ergab sich folgendes Resultat:

Vorschlagsliste 1 (Zentrum) 1 200 Stimmen
Vorschlagsliste 2 (SPD und DP) 559 Stimmen
Zersplittert   67 Stimmen

Ein neuer Bürgermeister wurde ebenfalls kurz darauf, am 29. Juni 1919, gewählt. Von 2 739 Wahlberechtigten gaben 1 936 ihre Stimme ab. Es änderte sich in der Person aber nichts, denn mit überwältigender Mehrheit von 1 846 Stimmen hieß der Bürgermeister wieder David Singer; Gegenkandidat war keiner nominiert.

  Wie aus der nebenstehenden Anzeige zu ersehen ist, fand am 6. Juli im „Schützenhof" eine Parteiversammlung statt. Besprochen wurde die vergangene Gemeinderatssitzung,die
  Abrechnung durch Kassierer Adam Schließmann und die Tagesordnung für die kommende Bezirkskonferenz, die am 20. Juli in Offenbach durchgeführt werden sollte. Als Delegierten wählte man Anton Ott, der sich dort dafür einsetzen soll, dass Karl Peter Zöller einen aussichtsreichen Listenplatz auf der Vorschlagsliste zur Kreistagswahl erhält. Der Anspruch Offenbachs, zehn Kandidaten für diese Vorschlagsliste zu stellen, wurde abgelehnt. Eine längere Diskussion nahm dann die anstehende Beigeordnetenwahl in Anspruch. Obwohl man sich allgemein gegen einen Kompromiss aussprach, wurde schließlich auf Grund der besonderen Verhältnisse bei Lokalwahlen ein Bündnis mit den Demokraten befürwortet.