Aus der Chronik des Ortsvereins Seligenstadt | ||
VERSTÄRKTE ANSTRENGUNGEN NACH ZEITWEILIGER UNBEWUSSTER STAGNATION Am 19. Februar 1906 fand im „Schützenhof" eine öffentliche Volksversammlung statt, von der sogar der „Seligenstädter Anzeiger" in seiner Ausgabe vom 21. Februar nachstehenden Kurzbericht brachte: „Eine öffentliche Volksversammlung wurde am verflossenen Sonntag
nachmittag im „Schützenhof" abgehalten, die vorzugsweise aus Arbeiterkreisen
lebhaft besucht war. Auf der Tagesordnung stand das Referat: Die neuen
Steuer- und Flottenpläne der Deutschen Reichsregierung unter besonderer
Berücksichtigung der Tabaksteuer. Als Hauptredner fungierte der Redakteur
Schilbach aus Offenbach. Die Versammlung nahm einen ruhigen Verlauf". Ein großes Gewerkschaftsfest veranstalteten die vereinigten freien
Gewerkschaften am Sonntag, dem 12. August 1906, ab 17 Uhr im Saal und
Gartenlokal des „Schützenhofes", verbunden mit Konzert- und
Gesangsvorträgen. Die Festrede hielt Karl Rink aus Urberach zum Thema: Der
Befreiungskampf des Proletariates. Am 13. Dezember 1906 war der Reichstag wegen seines Widerstandes gegen die Kolonialpolitik der Regierung aufgelöst worden. Neuwahlen für den 12. Deutschen Reichstag fanden am 25. Januar statt. Die drei Kandidaten im Wahlkreis Offenbach-Dieburg waren:
Durch die sehr hohe Wahlbeteiligung konnten alle Parteien an Stimmen gewinnen. Die relativen Werte verschoben sich jedoch kaum. Die SPD gewann etwas mehr als ein Prozent, die Bürgerlichen verloren gleich viel, während der Zentrumsanteil (ca. 18%) unverändert blieb. Das Ergebnis:
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Carl Ulrich fehlten nur
0,8% zur absoluten Mehrheit, die nötige Stichwahl wurde auf den 5. Februar
angesetzt. Von 995 Stimmberechtigten gaben
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Vor der entscheidenden Wahl zwischen
Dern und Ulrich lief die Wahlpropaganda nochmals auf vollen Touren. Schließlich holte sich Carl Ulrich in einer dramatischen Stichwahl sein 1903 verlorenes Mandat zurück. Das Ergebnis:
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Auch in Seligenstadt konnte Ulrich
seinen politischen Gegner schlagen: er erhielt 404 Stimmen, während es Dern
auf nur 182 Stimmen brachte. Am 17. August 1907 wurde eine Stadtratswahl durchgeführt, bei der die Sozialdemokraten keinen ihrer vier aufgestellten Bewerber durchbringen konnten. In der folgenden Zeit (bis 1910) ereignete sich parteipolitisch kaum
etwas, die Sozialdemokraten hatte eine (nicht gerechtfertigte) Ruhepause
eingelegt. Es wurden zwar Veranstaltungen und Versammlungen abgehalten; zu
früheren Jahren erreichten sie aber ein äußerst bescheidenes Ausmaß. Einige
davon sind jedoch erwähnenswert, obwohl der Sozialdemokratische Verein
Seligenstadt hätte etwas tun müssen (gerade in dieser Zeit), denn 1912
fanden ja wieder Reichstagswahlen statt. Zeit ist dazu da, um genutzt zu
werden! 12. Januar 1908 16. Februar 1908 Bei der am 21. August 1909 stattgefundenen Beigeordnetenwahl wurde Franz David Fecher (Zentrum) mit 395 Stimmen gewählt. Der Kandidat der SPD, Rudolf Katz, erhielt 199 Stimmen.
In den ersten Januartagen des Jahres 1910 wurde in Seligenstadt ein Verein für Volksbildung gegründet. Der erste Vortrag mit Lichtbildern, gehalten von Professor Bender aus Frankfurt, fand am Sonntag, dem 16. Januar, im „Schützenhof" statt. Benders Thema: Ein Ausflug in den Weltraum. Der Unkostenbeitrag betrug 20 Pfennig. Am 22. Februar traf sich der Sozialdemokratische Verein zu seiner ersten größeren Parteiveranstaltung in diesem Jahr. Nachdem Eduard Blei von der Landeskonferenz gesprochen hatte, gab der Kassierer die Abrechnung für das vergangene Jahr ab, die von den Revisoren für richtig erklärt wurde. Zur Kreiskonferenz nach Ober-Roden wurden Rudolf Katz, zur Bezirkskonferenz nach Froschhausen Adam Ostermaier, Adam Malsi und der Genosse Brehm entsandt. Dort soll der Vorschlag gemacht werden, einen geographisch günstigen Ort für die Bezirksmaifeier, verbunden mit einem Demonstrationszug, zu finden. Partei und Gewerkschaft sollen sich vorher über den gesamten Ablauf der Feierlichkeiten einigen. Außerdem beschloß man, bald eine Volksversammlung zum Thema: Die preußische Wahlrechtsvorlage, Junkerherrschaft und Polizeiwillkür, abzuhalten. Auch auswärtige Verbände will man dazu einladen. Gutgeheißen wurde der Vorschlag von Artur Pöche, dem Reichstagsabgeordneten August Bebel zu seinem 70. Geburtstag am heutigen Tag eine Glückwunschadresse zu übermitteln. Ferner muss versucht werden, die Tuberkulose-Ausstellung auch nach Seligenstadt zu bekommen; dem Gewerkschaftsausschuß wurde dieser Vorschlag auch unterbreitet, der sich darum bemühen wird. Am 25. Februar fand schon der zweite Vortrag des Vereines für
Volksbildung statt. Als Referenten hatte man den Arzt Dr. Vogel aus
Offenbach eingeladen. Er sprach über die Säuglingsernährung und
Kindersterblichkeit. Der Eintritt für Mitglieder war frei, Nichtmitglieder
mussten 20 Pfennig bezahlen. Auch dieser Vortrag war wieder sehr gut
besucht. Die nächste Parteiversammlung war für den 28. April einberufen worden. Kassierer Brehm gab den Kassenbericht, der zu keinerlei Beanstandung führt. Eduard Blei legte dann den Plan für die anstehende Maifeier vor: der Demonstrationszug erfolgt um 8 Uhr und nach dem Festzug wird Karl Rink eine Ansprache halten. Den Gesangsteil übernimmt die „Bruderkette", und ein Tanzvergnügen soll den Tag abschließen. Die Kolportage des Parteiorgans „Offenbacher Abendblatt" wurde ab 1.5. dem Genossen Friedrich Müller übertragen. Ein Antrag, den Mitgliedsbeitrag von 30 auf 32 Pfennig zu erhöhen, wurde nach heftiger Diskussion verworfen. Eine lebhafte Debatte gab es dann durch das Antwortschreiben des
Kreisamtes über die Ersatzwahl eines Mitgliedes zum Gemeinderat. Es wurde
die Meinung vertreten, im Falle einer eventuellen Wahl eines linksliberalen
Kandidaten, dessen Kandidatur zu unterstützen. Für die SPD besteht ja zu
diesem Zeitpunkt keine Chance auf Erfolg. Peter Eiles, unterstützt von Rudolf Katz, war der Meinung, dass die Vorbereitungen zur Kommunalwahl frühzeitig zu treffen sind und alles versucht werden müsse, der Arbeiterschaft endlich eine würdige und durchschlagskräftige Vertretung im Gemeinderat zu verschaffen. Wie aus der nachstehenden Anzeige zu ersehen ist, veranstaltete der Sozialdemokratische Verein dann wieder eine große und vielfältige Maifeier. Der „Seligenstädter Anzeiger" druckte die Ankündigung auch am 30. April ab, einen Bericht über den Ablauf brachte er allerdings wieder nicht. Darüber schreibt dann aber das „Offenbacher Abendblatt" in seiner Ausgabe vom 2. Mai: |
„Die Maifeier (sie fiel
diesmal auf einen Sonntag) nahm einen glänzenden Verlauf. Am
Demonstrationszug beteiligten sich rund 400 Personen. !m „Schützenhof" hielt
Karl Rink die Festrede. Der Arbeitergesangverein „Bruderkette" sang zwei Freiheitschöre, und mit einer Tanzveranstaltung wurde der Festtag beendet". Eine Wählerversammlung des Sozialdemokratischen Vereines |
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Seligenstadt, die
öffentlich war, fand am 29. Mai im „Schützenhof" statt. Der Kandidat der SPD
für den Gemeinderat, Rudolf Katz, sprach über das hessische Kommunalprogramm
und über die kommende Gemeinderatswahl. An der anschließenden Diskussion
beteiligten sich Mitglieder der SPD und der Fortschrittlichen Volkspartei.
Auch der Vorsitzende des katholischen Männervereines, Hofmann (Zentrum),
meldete sich zu Wort. Hofmann, ein Freund der Arbeiter, leitet seit geraumer
Zeit ein Volksbüro mit großem Erfolg. 1 200 Personen haben im letzten Jahr
seinen Rat und seine Hilfe in Anspruch genommen. Er ist nun aber
Zentrumsangehöriger und muss in gegebenen wichtigen Fragen auch als solcher
handeln. Anschließend sagte Katz unter anderem, dass für Straßenanlegungen kein Geld da sei, aber für Glocke und Turmuhr der Kirche eine Anleihe von 20 000 Mark bewilligt worden ist. |