Zu einer Erkundung in Sachen „Shared Space“ brachen Mitglieder des SPD-Ortsvereins in den Frankfurter Stadtteil Nieder-Erlenbach auf. Hier wurden im November 2009 drei Straßen im alten Ortskern nach dem Prinzip des Paragrafen 1 der Straßenverkehrsordnung neu geordnet:
(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
(2) Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.
„Shared Space“ oder auch „Gemeinschaftsstraße“ bedeutet, dass alle Verkehrsteilnehmer – ob zu Fuß, per Rad, per Auto, Traktor oder Omnibus – den Straßenraum gleichberechtigt nutzen, ohne durch Schilder darauf hingewiesen zu werden, was sie tun oder lassen sollen. Weder sollten Parkflächen eingezeichnet, noch Bürgersteige vorhanden oder Geschwindigkeitsbegrenzungen angegeben sein.
In Nieder-Erlenbach wurden für die Gemeinschaftsstraßen 63 Verkehrsschilder abmontiert, berichtete Barbara Ziegner, SPD-Fraktionsvorsitzende im Erlenbacher Ortsbeirat. „Jetzt muss man als Autofahrer so fahren, anhalten oder parken, dass man keine anderen Verkehrsteilnehmer – sei es das Schulkind, die Seniorin mit Rollator oder den Omnibus, der den Bereich passieren muss – gefährdet oder behindert,“ führte Gerd Wagner, stellvertretender Erlenbacher SPD-Ortsvereinsvorsitzender und ehemaliger Stadtverordneter im Römer weiter aus. Die Seligenstädter Delegation stimmte mit ihren GenossInnen aus Erlenbach darin überein, dass hier das Konzept des Shared Space nicht konsequent durchgehalten wird: Immer noch verdrängen Kraftfahrzeuge die schwächeren Verkehrsteilnehmer; Fußgänger laufen an den Häuserreihen entlang, weil sie sich dort sicherer fühlen. Der Schlüssel zum Erfolg ist Mischverkehr mit Kommunikation zwischen den Verkehrsteilnehmern, die allerdings wieder gelernt und umgesetzt werden muss.
„Was können wir von den Erlenbacher Erfahrungen für Seligenstadt mitnehmen?“, fragte Ortsvereinsvorsitzende Karin Hansen. Michael Hollerbach, Seligenstädter Stadtverordneter und Initiator der Erkundungsfahrt nach Erlenbach: „Vordringlich ist in Seligenstadt die Umgestaltung der Aschaffenburger Straße zwischen Obertor und Bahnhofstraße/Marktplatz. Hier könnte die Gemeinschaftsstraße eine Lösung bieten, die sowohl den Bedürfnissen der Fußgänger – am Friedhof parken häufig Busse mit Touristen, die stadteinwärts laufen – , der Radfahrer und der Autofahrer, die Richtung Marktplatz/Fähre unterwegs sind, gerecht wird.“ Nicht zu vergessen ist dabei ein Gesamtkonzept für den Verkehr in der Altstadt. „Es gilt, die Straße als Lebensraum für alle mobilen Menschen wieder zu gewinnen und nicht allein dem motorisierten (oder auch dem ruhenden motorisierten) Verkehr vorzubehalten und die gegenseitige Rücksichtnahme der übermäßigen Regelung durch Beschilderung vorzuziehen. Gefragt ist eine Umorientierung hin zu mehr Kommunikation im Straßenverkehr,“ betonte Hollerbach abschließend.